St. Johann in der Wüste: Unterschied zwischen den Versionen

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== G’schichtl ==
 
== G’schichtl ==
Den Lehrpfad „Wasserweg“ am Erlaufstausee entlang, immer Richtung Ötscherhias wandernd, überquert man den Mühlbach und kommt auf die Forststraße „Ötscherstraße“. Wer heute dort wandert, findet z. T. noch die Grundfeste einer alten Kirche, verwachsene Steinhaufen, uralte Wildobstbäume und einen Gedenkstein, der Geschichten erzählt. Alle zwei Jahre findet dort ein evangelischer Gedenkgottesdienst statt, musikalisch gestaltet von Sängern und Jagdhornbläsern.
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Von der Bahnstation Erlaufklause immer Richtung Ötscher wandernd, überquert man die Staumauer des Erlaufstausees und kommt auf der Ötscherstraße zum Hagengut und zum Schagerfeld, dem ehemaligen Hinteren Hagenbauer. Dort findet man die Überreste von Bauernhof, Pfarrhaus und die Grundfeste einer ehemaligen Kirche - verwachsene Steinhaufen, - uralte Wildobstbäume und einen
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Gedenkstein, der an die Zeiten des Geheimprotestantismus erinnert. Mit etwas Glück kann man dort sogar Gämsen beobachten! Alle zwei Jahre findet dort ein evangelischer Gedenkgottesdienst statt, musikalisch gestaltet von Sängern und Jagdhornbläsern.
  
Der Grund für die Errichtung des Gedenksteins ist im 17. Jhdt zu finden: Mit Beginn der Industrialisierung stieg der Brennholzbedarf der Großstädte. Holzknechte wanderten zu bzw. wurden von einem privilegierten Holz- und Schwemminhaber geholt. Diese waren aber Geheimprotestanten, die in ihren Hütten heimlich ihrem Glauben nachgingen. Um sie zu bekehren, wurde vom Stift Lilienfeld die Errichtung einer kleinen Holzkirche in Auftrag gegeben: St. Johann in der Wüste.  
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Der Grund für die Errichtung des Gedenksteins ist im 18. Jhdt zu finden: Mit Beginn der Industrialisierung stieg der Brennholzbedarf der Großstädte. Holzknechte aus dem Dachsteingebiet wanderten zu. Sie schlägerten die Wälder im Hinterötscher, errichteten Klausen und schwemmten das Holz zur Schneeschmelze auf der Erlauf bis zur Donau. Vom Stift Lilienfeld erhielten sie die Erlaubnis, ihre Familien nachzuholen, Vieh zu halten und Häuser, sogenannte “Luftkeuschen” zu errichten. In ihren Hütten gingen sie aber heimlich ihrem Glauben nach, den sie aus der alten Heimat mitgebracht hatten - sie waren Evangelische. Um sie auf den rechten Weg zurückzubringen, wurde
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im Jahre 1759 eine kleine Holzkirche errichtet: St. Johann in der Wüste. Die Holzknechte und ihre Familien waren nun gezwungen, die Sonntagsmessen zu besuchen, da der Wochenlohn erst nach der Messe ausgezahlt wurde. Im Jahre 1776 ging die Kirche in Flammen auf.
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Das Gotteshaus wurde zwar aus Stein wieder aufgebaut, nach dem Erlass des Toleranzpatents Kaiser Josefs II im Oktober 1781 und der Aufhebung der Pfarre 1788 versteigert und diente nur mehr als Speicher für Rüben, Sauerkraut, Korn und Speck. 1902 wurde die Kirche abgerissen. Die evangelischen Holzknechte jedoch gründeten eine Pfarre, die für fast 80 Jahre die einzige in
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Niederösterreich bleiben sollte, und errichteten in Mitterbach ein Bethaus.
  
Die Spannungen blieben aber aufrecht, und im Jahre 1776 ging die Kirche in Flammen auf.
 
Das Gottenhaus wurde zwar aus Stein wieder aufgebaut, diente dann nach der Verlautbarung des Toleranzpatents 1781 und der Aufhebung der Pfarre aber nur noch als Speicher für Rüben, Sauerkraut, Korn und Speck.
 
  
 
== Zielgruppe ==
 
== Zielgruppe ==

Version vom 13. Oktober 2017, 23:46 Uhr

Gedenkstein in Mitterbach. Foto: Martin Weber
Evangelische Kirche in Mitterbach. Foto: Martin Weber
Jagdhornbläser. Foto: Martin Weber


G’schichtl

Von der Bahnstation Erlaufklause immer Richtung Ötscher wandernd, überquert man die Staumauer des Erlaufstausees und kommt auf der Ötscherstraße zum Hagengut und zum Schagerfeld, dem ehemaligen Hinteren Hagenbauer. Dort findet man die Überreste von Bauernhof, Pfarrhaus und die Grundfeste einer ehemaligen Kirche - verwachsene Steinhaufen, - uralte Wildobstbäume und einen Gedenkstein, der an die Zeiten des Geheimprotestantismus erinnert. Mit etwas Glück kann man dort sogar Gämsen beobachten! Alle zwei Jahre findet dort ein evangelischer Gedenkgottesdienst statt, musikalisch gestaltet von Sängern und Jagdhornbläsern.

Der Grund für die Errichtung des Gedenksteins ist im 18. Jhdt zu finden: Mit Beginn der Industrialisierung stieg der Brennholzbedarf der Großstädte. Holzknechte aus dem Dachsteingebiet wanderten zu. Sie schlägerten die Wälder im Hinterötscher, errichteten Klausen und schwemmten das Holz zur Schneeschmelze auf der Erlauf bis zur Donau. Vom Stift Lilienfeld erhielten sie die Erlaubnis, ihre Familien nachzuholen, Vieh zu halten und Häuser, sogenannte “Luftkeuschen” zu errichten. In ihren Hütten gingen sie aber heimlich ihrem Glauben nach, den sie aus der alten Heimat mitgebracht hatten - sie waren Evangelische. Um sie auf den rechten Weg zurückzubringen, wurde im Jahre 1759 eine kleine Holzkirche errichtet: St. Johann in der Wüste. Die Holzknechte und ihre Familien waren nun gezwungen, die Sonntagsmessen zu besuchen, da der Wochenlohn erst nach der Messe ausgezahlt wurde. Im Jahre 1776 ging die Kirche in Flammen auf. Das Gotteshaus wurde zwar aus Stein wieder aufgebaut, nach dem Erlass des Toleranzpatents Kaiser Josefs II im Oktober 1781 und der Aufhebung der Pfarre 1788 versteigert und diente nur mehr als Speicher für Rüben, Sauerkraut, Korn und Speck. 1902 wurde die Kirche abgerissen. Die evangelischen Holzknechte jedoch gründeten eine Pfarre, die für fast 80 Jahre die einzige in Niederösterreich bleiben sollte, und errichteten in Mitterbach ein Bethaus.


Zielgruppe

Ab 14 Jahren

Anwendung: ganzjährig

Botschaft

Gedenksteine in der Landschaft erinnern uns an längst vergessene Zeiten.

Zusatz-Info

1902 wurde die Kirche abgerissen. Zuvor wurden zwei Engel in die Evangelische Pfarrkirche in Mitterbach überstellt. Sie gilt als einzige Toleranzkirche Niederösterreichs.

Quelle

Erzählung und Textpassagen von Martin Weber, zusammengefasst von Christina Nagl

Niederösterreichische Landesausstellung 2015. ÖTSCHER:REICH. Die Alpen und wir. Schallaburg Kulturbetriebsges.m.b.H