St. Johann in der Wüste

Aus Landschaftsgeschichten
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Gedenkstein in Mitterbach. Foto: Martin Weber
Evangelische Kirche in Mitterbach. Foto: Martin Weber
Jagdhornbläser. Foto: Martin Weber


G’schichtl

Von der Bahnstation Erlaufklause immer Richtung Ötscher wandernd, überquert man die Staumauer des Erlaufstausees und kommt auf der Ötscherstraße zum Hagengut und zum Schagerfeld, dem ehemaligen Hinteren Hagenbauer. Dort findet man die Überreste von Bauernhof, Pfarrhaus und die Grundfeste einer ehemaligen Kirche - verwachsene Steinhaufen, - uralte Wildobstbäume und einen Gedenkstein, der an die Zeiten des Geheimprotestantismus erinnert. Mit etwas Glück kann man dort sogar Gämsen beobachten! Alle zwei Jahre findet dort ein evangelischer Gedenkgottesdienst statt, musikalisch gestaltet von Sängern und Jagdhornbläsern.

Der Grund für die Errichtung des Gedenksteins ist im 18. Jhdt zu finden: Mit Beginn der Industrialisierung stieg der Brennholzbedarf der Großstädte. Holzknechte aus dem Dachsteingebiet wanderten zu. Sie schlägerten die Wälder im Hinterötscher, errichteten Klausen und schwemmten das Holz zur Schneeschmelze auf der Erlauf bis zur Donau. Vom Stift Lilienfeld erhielten sie die Erlaubnis, ihre Familien nachzuholen, Vieh zu halten und Häuser, sogenannte “Luftkeuschen” zu errichten. In ihren Hütten gingen sie aber heimlich ihrem Glauben nach, den sie aus der alten Heimat mitgebracht hatten - sie waren Evangelische. Um sie auf den rechten Weg zurückzubringen, wurde im Jahre 1759 eine kleine Holzkirche errichtet: St. Johann in der Wüste. Die Holzknechte und ihre Familien waren nun gezwungen, die Sonntagsmessen zu besuchen, da der Wochenlohn erst nach der Messe ausgezahlt wurde. Im Jahre 1776 ging die Kirche in Flammen auf.

Das Gotteshaus wurde zwar aus Stein wieder aufgebaut, nach dem Erlass des Toleranzpatents Kaiser Josefs II. im Oktober 1781 und der Aufhebung der Pfarre 1788 versteigert und diente nur mehr als Speicher für Rüben, Sauerkraut, Korn und Speck. 1902 wurde die Kirche abgerissen. Die evangelischen Holzknechte jedoch gründeten eine Pfarre, die für fast 80 Jahre die einzige in Niederösterreich bleiben sollte, und errichteten in Mitterbach ein Bethaus.

Zielgruppe

Ab 14 Jahren

Anwendung: ganzjährig

Botschaft

Gedenksteine in der Landschaft erinnern uns an längst vergessene Zeiten.

Zusatz-Info

Unbedingt besuchen: Die zwei Engel in der Evangelischen Pfarrkirche Mitterbach, der einzigen Toleranzkirche Niederösterreichs, erinnern an die schlimmen Zeiten der Gegenreformation.

Unbedingt lesen: Roman von Peter Herzog “St. Johann in der Wüste” Kral Verlag, 3. Auflage 2015, Euro 19,90

Unbedingt besichtigen: Ausstellung “Glaubens:Reich - Holzknechte, Protestanten, Reformer” in der Alten Evangelischen Schule Mitterbach

Unbedingt teilnehmen: Gedenkgottesdienst, alle zwei Jahre am Schagerfeld, Zufahrt mit der Erlaubnis der Grundbesitzer bis Gasthaus Vorderötscher

Quelle

Erzählung und Textpassagen von Martin Weber, zusammengefasst von Christina Nagl

Niederösterreichische Landesausstellung 2015. ÖTSCHER:REICH. Die Alpen und wir. Schallaburg Kulturbetriebsges.m.b.H