Der Riesenfisch im Ostrong

Aus Landschaftsgeschichten
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Wappen mit dem "Riesenfisch im Ostrong" vor der Kirche in Yspertal. Foto: Christina Nagl
Wappen mit dem Riesenfisch im See und dem Ostrong im Hintergrund. Gemalt von Pfarrer Hans Wick, zu sehen im Heimatmuseum Yspertal. Foto: Christina Nagl


G´schichtl

Im Inneren des Ostrong befindet sich ein großer See. Aber nicht irgendein gewöhnlicher See, wie andere es sind. Dunkel und kalt soll sein Wasser sein und so tief wie der Berg hoch ist. In diesem See lebt ein Riesenfisch. Manchmal ist weithin rund um den Ostrong ein Dröhnen zu hören und man hat das Gefühl als würde der Himmel über einem zusammenbrechen. Das ist der Riesenfisch, der mit seinem Schwanz an die Bergwände schlägt. Noch schläft der Riesenfisch und treibt mit geschlossenen Augen ruhig im Wasser. Seine goldenen Schuppen glänzen, obwohl die Höhle im Inneren des Berges schwarz wie die Nacht ist. Manchmal blinzelt er mit seinen Diamantaugen. Der ganze Berg scheint dann von innen heraus zu leuchten, als ob tausend Feuer im Inneren funkeln!

Solange die Menschen ein tugendhaftes Leben führen, schläft er. Doch werden die Menschen übermütig, wecken sie ihn. Sollte der Fisch jemals erwachen, dann wäre dies das Ende des Yspertales. Mit seinem Schwanz wird er dann so lange an die Bergwände schlagen, bis der Berg mit einem Donnern und Getöse in der Mitte auseinanderbricht. Das Wasser des Sees wird sich über das ganze Yspertal ergießen und alle Menschen, Tiere und Häuser unter den Wassermassen begraben. Wie bei der biblischen Sintflut wird es keine Rettung geben und wenn der See schließlich völlig ausgelaufen ist wird sich der Berg wieder schließen.

Zielgruppe

alle, geologisch interessierte Personen

Broschüre: "ab 6 Jahren"

Botschaft

Vor langer Zeit gab es so gut wie keine wissenschaftliche Erkenntnisse oder die Bevölkerung am Land hatte keinen Zugang dazu. Deshalb wurden Naturphänomene anders wahrgenommen/erfahren als heute. Dies ist der Grund, warum in damaliger Zeit eine Vielzahl an Sagen entstanden sind.

Zusatz-Info

Der Großteil des westlichen Waldviertels befindet sich geologisch gesehen in der Zone des (relativ jungen) Weinsberger Granit. Im Osten hingegen herrschen (alte) Gneise und Schiefer vor - so z.B. am Ostrong, welcher aus Gneis der sogenannten "Monotonen Serie" besteht. Im Yspertal treffen an einer geologischen Bruchlinie Granit und Gneis aufeinander. Es kommt zu langsamen Verschiebungen und daher zu Spannungen im Gestein. Diese bauen sich irgendwann ab und die Folge sind mehr oder weniger laute Geräusche, die wahrgenommen werden. Verstärkt wurden diese Geräusche im Falle des Ostrongs durch dessen "Alleinstand". Die Bevölkerung wusste das natürlich nicht - aber sie wussten, dass der Ostrong (also Gneis, welcher geschiefert ist und parallele Spalten aufweist) viel mehr Wasser speichern konnte als Granit (hat nur Schwundrisse und bildet unterirdische "Pfandl"). Und solche Beobachtungen führten dann zu den uns heute bekannten Sagen.

Quelle

Fritz Rötzer: Sagen aus dem südlichen Waldviertel. Melk a. d. Donau: Wedl, 1952.

Verfasst von Marlene Palka