Die eiserne Türe im Wachtstein
Inhaltsverzeichnis
G´schichtl
Unweit des Ortes Traunstein erhebt sich der Wachtstein, eine Gruppe riesiger, mit Nadelhölzern bewachsener Granitblöcke. Er ist heute ein beliebter Aussichtsplatz und dürfte schon in grauer Vorzeit als Wachtberg benutzt worden sein. Von ihm erzählt man:
An einem Karfreitag ging eine arme Frau mit ihrem Kind in den Wald, um Holz zu sammeln. Als sie am Wachtstein vorbeikam sah sie wie sich im Wachtstein eine schwere Eisentür öffnete. Von ihrer Neugier getrieben wagte sie, mit ihrem Kind an der Hand, einen Blick in das Innere. Sie glaubte ihren Augen nicht trauen zu können als sie hinter der Eisentüre eine Schatzkammer, gefüllt mit den fantastischsten Gold und Edelsteinen, entdeckte. Die Schatzkammer funkelte und leuchtete durch den Glanz der Schätze so stark dass es in der Kammer taghell war. Sie ließ die Hand ihres Kindes los, löste ihre Schürze und breitete sie am Boden aus. Noch nie hatte sich die Frau etwas genommen, was ihr nicht gehörte, doch sie konnte nicht widerstehen. Mit beiden Händen schaufelte sie Gold, Edelsteine, Perlen und Juwelen auf ihre Schürze, so viel dass sie die Schürze beinahe nicht mehr anheben konnte. So schnell sie konnte, verließ die Frau die Kammer. Hinter ihr fiel die eiserne Tür schwer ins Schloss. Zu ihrem Schrecken erkannte sie, dass sie in der Eile ihr eigenes Kind in der Schatzkammer vergessen hatte. Doch die Tür war verschwunden und am ganzen Wachtstein war kein Eingang mehr zu finden. Da fing die arme Frau bitterlich an zu weinen. Sie war reich und arm zugleich. In ihrem Kummer wandte sie sich an den Pfarrer von Traunstein und fragte ihn um Rat. Er tröstete die verzweifelte Frau und gab ihr den Rat, ein Jahr später, wieder am Karfreitag erneut ihr Glück am Wachtstein zu versuchen. Vielleicht würde sich die Tür erneut öffnen. Nach einem vollen Jahr Wartezeit kam abermals der Karfreitag. Hoffnungsvoll machte sich die Frau erneut auf den Weg zum Wachtstein und tatsächlich - die eiserne Tür ging wieder auf. Der Berg schenkte der verzagten Frau ihr verloren geglaubtes Kind wieder. Nun kannte ihr Glück keine Grenzen mehr, alle Not hatte ein Ende gefunden. Die Frau war reich und hatte auch ihr Kind wieder. Die eiserne Tür im Wachtstein fiel abermals schwer ins Schloss. Niemand sah sie seit diesem Tage wieder.
Zielgruppe
alle
Botschaft
Über den Wachtstein im Waldviertel.
Zusatz-Info
Aus dem einstigen Granitgebirge sind gigantische Gesteinsblöcke entstanden. In früheren Zeiten war der Wachtstein wahrscheinlich ein wichtiger Punkt in der Kreidefeuerkette zwischen Jauerling und der Burg Arbesbach. Der Wachtstein dient heute als vielbesuchter Aussichtsplatz und beliebtes Ausflugsziel, von dem man an klaren Tagen bis zum Schneeberg sieht.
Quelle
Fritz Rötzer: Sagen aus dem südlichen Waldviertel. Melk a. d. Donau: Wedl, 1952.
Verfasst von Marlene Palka