Von Fruchtzwergen und Beerenscheißern: Unterschied zwischen den Versionen

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== G'schichtl ==
 
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Die Waldgrenze liegt heute in Teilen der Zentralalpen um 100 bis 200 m tiefer, als dies von Natur aus der Fall wäre. Seit Jahrhunderten hat der Mensch durch Brand und Rodung Freiflächen im Hochgebirge geschaffen, die nur durch anhaltende Beweidung und Almpflege strauch- und waldfrei gehalten werden können. Zwergstrauchheiden können bei Auf- oder Nachlassen der Almnutzung oder an Stellen, wo das Vieh wegen der Ungunst des Geländes geringeren Weidedruck ausübt, rasch wieder die ehemaligen Waldflächen besiedeln und so die Wiederbewaldung einleiten. Für diesen Prozess mit verantwortlich sind Vögel, die sozusagen „rote Teppiche ausbreiten“. Wenn die Alpenrosen schon lange verblüht sind, überziehen im Herbst die Blätterteppiche der Zwergsträucher weite Flächen über der Waldgrenze mit leuchtenden Rottönen. Nicht minder bunt sind dann die Früchte alpiner Beerensträucher: Krähenbeere (Schwarz), Rausch- und Heidelbeere (Violett bis Blau) und Preiselbeere (Rot). Echte Fruchtzwerge! Die bunte, süße Pracht des Fruchtfleischs rund um die Samen ist aber kein Zufall! Sie soll gefiederte Beerenliebhaber anlocken und so die Ausbreitung des Nachwuchses sichern. Im Gebirge ist die Ringdrossel der wichtigste Verbreiter der Beerensträucher. Nach der Brutzeit steigen diese "Bergamseln" aus dem Wald zur Beerenernte auf. Nach der üppigen Mahlzeit widmen sich die Ringamseln gerne einem "Verdauungsschläfchen". Wie Leo Slotta-Bachmayr in den Salzburger Alpen u.a. mittels Funkpeilung festgestellt hat, fliegen sie dazu aber bis zu 3 km weit und transportieren bis zu 400 Beerensamen in ihrem Darm. Während das kohlenhydratreiche Beerenfleisch verdaut wird, verlassen die kleinen Samen unbehelligt die Darmpassage und bekommen mit dem Kot sogar ein düngendes Stickstoffpaket mitgeliefert. Da die Drosseln außerdem gerne an schattigen, deckungsreichen Stellen in der offenen Landschaft rasten, deponieren sie die Samen meist an Stellen, die für die Keimung günstig sind. Mit ihrer „furchtbar-fruchtbaren“ Verdauung der „Fruchtzwerge“ bestimmen also Drosseln die Verteilung der Beerensträucher im Gelände. Sie sind damit ein wichtiger Faktor für das alpine Landschaftsbild und für die Bewaldung aufgelassener Almen. Vom Wald zur Weide, von der Weide zur Heide, zum Wald, so könnt man das Wechselspiel zwischen Mensch und Natur im Almbereich betiteln.
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Die Waldgrenze liegt heute in Teilen der Zentralalpen um 100 bis 200 m tiefer, als dies von Natur aus der Fall wäre. Seit Jahrhunderten hat der Mensch durch Brand und Rodung Freiflächen im Hochgebirge geschaffen, die nur durch anhaltende Beweidung und Almpflege strauch- und waldfrei gehalten werden können. Zwergstrauchheiden können bei Auf- oder Nachlassen der Almnutzung oder an Stellen, wo das Vieh wegen der Ungunst des Geländes geringeren Weidedruck ausübt, rasch wieder die ehemaligen Waldflächen besiedeln und so die Wiederbewaldung einleiten. Für diesen Prozess mit verantwortlich sind Vögel, die sozusagen „rote Teppiche ausbreiten“. Wenn die Alpenrosen schon lange verblüht sind, überziehen im Herbst die Blätterteppiche der Zwergsträucher weite Flächen über der Waldgrenze mit leuchtenden Rottönen. Nicht minder bunt sind dann die Früchte alpiner Beerensträucher: Krähenbeere (schwarz), Rausch- und Heidelbeere (violett bis blau) und Preiselbeere (Rot). Echte Fruchtzwerge! Die bunte, süße Pracht des Fruchtfleischs rund um die Samen ist aber kein Zufall! Sie soll gefiederte Beerenliebhaber anlocken und so die Ausbreitung des Nachwuchses sichern. Im Gebirge ist die Ringdrossel der wichtigste Verbreiter der Beerensträucher. Nach der Brutzeit steigen diese "Bergamseln" aus dem Wald zur Beerenernte auf. Nach der üppigen Mahlzeit widmen sich die Ringamseln gerne einem "Verdauungsschläfchen". Wie Leo Slotta-Bachmayr in den Salzburger Alpen u.a. mittels Funkpeilung festgestellt hat, fliegen sie dazu aber bis zu 3 km weit und transportieren bis zu 400 Beerensamen in ihrem Darm. Während das kohlenhydratreiche Beerenfleisch verdaut wird, verlassen die kleinen Samen unbehelligt die Darmpassage und bekommen mit dem Kot sogar ein düngendes Stickstoffpaket mitgeliefert. Da die Drosseln außerdem gerne an schattigen, deckungsreichen Stellen in der offenen Landschaft rasten, deponieren sie die Samen meist an Stellen, die für die Keimung günstig sind. Mit ihrer „furchtbar-fruchtbaren“ Verdauung der „Fruchtzwerge“ bestimmen also Drosseln die Verteilung der Beerensträucher im Gelände. Sie sind damit ein wichtiger Faktor für das alpine Landschaftsbild und für die Bewaldung aufgelassener Almen. Vom Wald zur Weide, von der Weide zur Heide, zum Wald, so könnt man das Wechselspiel zwischen Mensch und Natur im Almbereich betiteln.
  
 
== Zusatz-Info ==
 
== Zusatz-Info ==

Version vom 8. Jänner 2018, 01:23 Uhr

G'schichtl

Die Waldgrenze liegt heute in Teilen der Zentralalpen um 100 bis 200 m tiefer, als dies von Natur aus der Fall wäre. Seit Jahrhunderten hat der Mensch durch Brand und Rodung Freiflächen im Hochgebirge geschaffen, die nur durch anhaltende Beweidung und Almpflege strauch- und waldfrei gehalten werden können. Zwergstrauchheiden können bei Auf- oder Nachlassen der Almnutzung oder an Stellen, wo das Vieh wegen der Ungunst des Geländes geringeren Weidedruck ausübt, rasch wieder die ehemaligen Waldflächen besiedeln und so die Wiederbewaldung einleiten. Für diesen Prozess mit verantwortlich sind Vögel, die sozusagen „rote Teppiche ausbreiten“. Wenn die Alpenrosen schon lange verblüht sind, überziehen im Herbst die Blätterteppiche der Zwergsträucher weite Flächen über der Waldgrenze mit leuchtenden Rottönen. Nicht minder bunt sind dann die Früchte alpiner Beerensträucher: Krähenbeere (schwarz), Rausch- und Heidelbeere (violett bis blau) und Preiselbeere (Rot). Echte Fruchtzwerge! Die bunte, süße Pracht des Fruchtfleischs rund um die Samen ist aber kein Zufall! Sie soll gefiederte Beerenliebhaber anlocken und so die Ausbreitung des Nachwuchses sichern. Im Gebirge ist die Ringdrossel der wichtigste Verbreiter der Beerensträucher. Nach der Brutzeit steigen diese "Bergamseln" aus dem Wald zur Beerenernte auf. Nach der üppigen Mahlzeit widmen sich die Ringamseln gerne einem "Verdauungsschläfchen". Wie Leo Slotta-Bachmayr in den Salzburger Alpen u.a. mittels Funkpeilung festgestellt hat, fliegen sie dazu aber bis zu 3 km weit und transportieren bis zu 400 Beerensamen in ihrem Darm. Während das kohlenhydratreiche Beerenfleisch verdaut wird, verlassen die kleinen Samen unbehelligt die Darmpassage und bekommen mit dem Kot sogar ein düngendes Stickstoffpaket mitgeliefert. Da die Drosseln außerdem gerne an schattigen, deckungsreichen Stellen in der offenen Landschaft rasten, deponieren sie die Samen meist an Stellen, die für die Keimung günstig sind. Mit ihrer „furchtbar-fruchtbaren“ Verdauung der „Fruchtzwerge“ bestimmen also Drosseln die Verteilung der Beerensträucher im Gelände. Sie sind damit ein wichtiger Faktor für das alpine Landschaftsbild und für die Bewaldung aufgelassener Almen. Vom Wald zur Weide, von der Weide zur Heide, zum Wald, so könnt man das Wechselspiel zwischen Mensch und Natur im Almbereich betiteln.

Zusatz-Info

Hinweise auf die Bedeutung der Ring-, Sing-, und Misteldrossel für die „Sicherung“ vergandender Almen (Lawinenschutz, Bodenfestigung usw.)

Quelle

verfasst von Armin Landmann

Slotta-Bachmayr, L. (1992): Interaktionen zwischen Tieren und Pflanzen als Steuerungsprozesse der Interaktionen in der Subalpinstufe: Vögel und Beerensträucher. Diplomarbeit Univ. Salzburg, 115 pp.