Sexuelle Verwirrspiele am Bauernhof

Aus Landschaftsgeschichten
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G'schichtl

Junge Männer haben es schwer! Sexuell frühreif aber unerfahren, wenig kampf- und balzerprobt und von reifen Frauen oft nicht ernst genommen! Das mag nicht so tragisch sein, wenn man eine lange Pubertät zur Reifung hat. Singvogelmännchen aber, die schon im ersten Lebensjahr geschlechtsreif werden und einer Lebenserwartung von vielleicht 3 Jahren entgegenblicken, haben keine Zeit zu verlieren. Jede Saison ohne Bruterfolg ist eine vergebene, vielleicht einmalige Chance, eine Katastrophe. Wie aber sich gegen erfahrene, ältere Männchen durchsetzen und wenigstens einige Kopulationen ergattern? Tricksen und Bluffen könnte abhelfen! Ein Phänomen erregt bei Evolutionsbiologen schon länger erhebliche Aufmerksamkeit: Verzögerte Gefiederreifung. Bei etlichen Singvögeln ähneln nämlich junge Männchen den schlichteren Weibchen und entwickeln das meist prächtigere männliche Alterskleid erst Monate oder Jahre nach Beginn ihrer Fortpflanzungsreife.

Ein besonders schönes Beispiel dafür ist unser Hausrotschwanz, bei dem einjährige Männchen noch nicht den eleganten russschwarzen „Federrock“ des Altvogels, sondern das schlichte Braun der Weibchen tragen. Über die Hintergründe dieses Phänomens gibt es einige Theorien, die auch in Schweizer und Tiroler Dörfern getestet wurden.

Die „Weibchen-Tarnungs-Hypothese“ etwa besagt, dass Jungmännchen mit ihrem Gefieder, sozusagen unter Vortäuschung falscher Tatsachen, überlegene, aber gegenüber Weibchen tolerantere, Revierbesitzer austricksen. So könnten Jährlingsmännchen sich leichter Zugang zum Fremdrevier und zu willigen Weibchen verschaffen, die zumindest zu einem kurzen „Techtelmechtel“ mit einem Jungmann bereit sind. Die „Statussignal-Theorie“ hingegen, geht davon aus, dass junge Männchen den im Kampf überlegenen alten Paschas von vorneherein ihre Unterlegenheit signalisieren und damit unnötige Prügel vermeiden. Motto: “Tu mir nichts, ich bin ein harmloser „Jung(rot)schwanz“! Die zweite These wird durch Ergebnisse aus dem Alpenraum z.T. gestützt, es gibt aber auch andere Erklärungsmodelle für die verzögerte Gefiederreifung bei Singvögeln.

Wie auch immer, eifrig singende, schlichte Rotschwanz„weibchen“ an einem Gehöft oder Feldstadel sind - nicht selten unverpaarte - Jungmänner, die mit Eifer versuchen, schon in ihrem ersten (und vielleicht letzten) Brutjahr eine Gattin zu ergattern. Ornithologisches „Bauer sucht Frau“ sozusagen.


Zusatzinfo

Eventuell Hinweis auf junge, aber schwarze Männchen ohne weißen Flügelspiegel. Hinweis auf Feldstadelpopulationen des Hausrotschwanz im Alpenraum, auf den treuen Begleiter des Menschen auch an Almhütten; auf Volksnamen wie Brandreiter usw.

Quelle

Original von Armin Landmann (AviWiki)

  • Landmann, A. (1996): Der Hausrotschwanz. Aula Wiesbaden, 144 S.
  • Landmann A. & C. Kollinsky (1995a,b), Ethology 101; 121-129 & Ecology, Ethology & Evolution 7: 147-167.
  • Weggler, M (1997): Diss Univ. Zürich, 106 pp.