Die Sonnenuhr

Aus Landschaftsgeschichten
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G´schichtl

Früher bin ich gern angeln gegangen. Mittlerweile bin ich schon ein wenig wehleidig, das Feuchte tut mir nicht gut. Aber damals hieß das: zeitig raus aus den Federn. Meine Frau hat sich gewundert, dass sie mich nie gehört hat, ich bin ja immer ohne Wecker aufgekommen, und so war ich auch leise. Irgendwann ist sie schon neugierig geworden, wie ich das weiß, wann ich aufstehen muss, wenn es noch so finster ist. Und dass ich einen leichten Schlaf habe, weiß sie auch. Und da habe ich ihr meine private Sonnenuhr erklärt: „Schau, mein Spatz – da helfen mir die Vögel. Wenn die ersten Rufe von der Regenrinne herüberklingen, da weiß ich, da hab ich noch so um die eineinhalb Stunden Zeit, das Rotschwanzerl ist ja ein arger Frühaufsteher. Der weckt die Amsel auf, die mit dem Rotkehlchen und der Singdrossel einen Chor bildet. Dann mischen sich immer mehr Singvögel ein, es wird lauter und lauter. Ich habe noch immer Zeit bis zum Sonnenaufgang. Aber dann, mein Spatz, höre ich den Spatz: Der Haussperling schreit dann sein „Tschilp“, meistens mit Meidlinger L – und dann steh ich auf: Zwanzig Minuten Zeit für Kaffee, keine Rasur heute, und ich schnapp mir das Radl und bin am Wasser.“ „Und, das klappt immer? Immer die gleiche Zeit?“ – „Die Uhrzeit ändert sich mit der Jahreszeit, aber der Zeitabstand zum Sonnenaufgang stimmt immer!“

Zielgruppe

alle, Frühaufsteher, und solche, die Vogelstimmen (er)kennen

Botschaft

Singvögel haben ihre Zeitfenster; man kann mit ihrer Hilfe zwar nicht so etwas Abstraktes wie die Uhr stellen, aber sie stehen immer relativ zum Sonnenaufgang; der Haussperling z.B. fängt im Mittel um 18 Minuten vor Sonnenaufgang an – egal, wie spät es ist!

Zusatz-Info

Haussperlinge sind Kulturfolger, die sich hauptsächlich von kultivierten Sämereien wie z.B. Hafer, Weizen und Gerste ernähren. Sie sind gesellig und rotten sich zu größeren Gruppen zusammen, wodurch eine lautstarke Klangkulisse an "Tschilp-Rufen" entstehen kann.

Quelle

Tina Strauss