Die Schwalben sind da-Erinnerungen aus meiner Kindheit

Aus Landschaftsgeschichten
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Rauchschwalben bei der Fütterung. Foto: Bernhard Huber
Rauchschwalbe. Foto: Christoph Roland


G´schichtl

Der kleine idyllische Bergbauernhof, in dem ich in der Nachkriegszeit geboren wurde, ist im Baustil eines Dreiseithof errichtet. Im Quertrakt war je ein Stall für Rinder und Schweine, drüber der Heu- und Strohboden. Das obere Bauwerk ist aus Holz und um knapp zwei Meter breiter als die Ställe darunter. Eine ganze Reihe Holzbalken bildet das Fundament für den gesamten Holzaufbau. Das war ein Paradies für unsere zahlreichen Schwalben. Kein Wunder, war doch Material zum Nestbauen und die Nahrungsversorgung zum Greifen nahe. Jedes Jahr im Frühjahr bauten oder bezogen vier, fünf Paare Mehlschwalben ihr Nest, machten es zum Sommerquartier und gründeten dort ihr Familienglück. Genauso war es mit den Nestern der Rauchschwalben in den Ställen. Die Freude über die Ankunft der Rauchschwalben wurde gleichermaßen als Botschaft des Glücks bewertet, denn: „Dort wo die Schwalbe ist zuhaus’, da bleibt das Glück nicht aus.“ Auch heute noch gilt sie als Glückssymbol. Hatte man zur Zeit meiner Kindheit die erste Schwalbe im Frühjahr gesehen, war das ein Highlight und wurde voller Freude allen mitgeteilt, denen man begegnete. Genau beobachte ich das Verhalten dieser Zugvögel und wusste von jedem Nest die Anzahl ihres Nachwuchses.

Für die Ankunft im Frühjahr und den Abflug im Herbst gelten heute noch alte Bauernregeln: „Um Maria Verkündigung (25. März) kehrn die Schwålb’n wiederum“ bzw. „Um Maria Geburt (8. Sept.) flieg’n de Schwålb’n wieda fôrt.“

Als Kind lauschte ich gerne dem unverkennbaren Gezwitscher. Eigentlich könnte man ihren Gesang mit einem Lied vergleichen, so unterschiedlich lang, kurz, hoch und tief sind die hörbaren Töne. Ich weiß heute nicht mehr wie alt ich damals gewesen sein mag, als ich meine Mutter fragte, was uns die Schwalben in ihrem Gesang zu „sagen“ vermögen? Vielleicht hatte man sich früher schon Gedanken darüber gemacht. Jedenfalls erinnere ich mich noch an die spontane Antwort meiner Mutter als sie meinte, es ist nicht schwer zu verstehen:„ Wia mir furt san, san Kist’n und Kast’n und ållas is’ voi g’wen; und jetzt is’ ållas vatidlt, vatodlt und vatänt.“ Wo auch immer dieser Worte abgeleitet oder erfunden sind, mein kindliches geistiges Potential reichte nicht aus um die letzten Worte verstehen zu können. Eine kurze Erklärung: die Vorräte in den Kisten und Kästen und alles (Scheune, Keller usw.) waren im Herbst voll und im Frühjahr bei ihrer Rückkehr verbraucht („vertån“) also leer.

Zielgruppe

ornithologisch interessierte Personen

Botschaft

Rauchschwalben und Mehlschwalben haben im Laufe der Zeit eine enge Bindung an menschliche Siedlungsstrukturen entwickelt, sie sind sogenannte Kulturfolger. Besonders in landwirtschaftlich geprägten Gebieten finden die geschickten Insektenjäger ideale Lebensbedingungen, denn wo Nutzvieh ist, gibt es reichlich Fluginsekten als Nahrungsquelle! Stallungen oder Dachvorsprünge bieten Platz für ihre Nester, und auf Feldwegen steht genügend lehmiges Baumaterial zum Nestbau zur Verfügung. Früher waren Schwalben so gerne gesehen, dass man sie sogar in den Wohnräumen brüten ließ! Rauchschwalben haben ihre Nester damals häufig über dem Rauchabzug des offenen Herds gebaut - ihr Name deutet noch heute darauf hin!

Zusatz-Info

san - sind

ållas - alles

voi - voll

g'wen - gewesen


Ihre Nähe zu den Menschen hat den Schwalben Symbolwirkung eingebracht: Sie gelten als Glücksbringer und Boten des Sommers. Außerdem: Auch heute noch gelten die Schwalben als Wetterpropheten! Beim vermehrten Tiefflug der Schwalben sagt man ihnen die Anzeichen für Wetterumschwung und Regen voraus.

Heutzutage sieht es für die Schwalben nicht mehr so rosig aus: derzeit ist bei den Rauch- und Mehlschwalben ein Populationsrückgang in Österreich zu bemerken. Grund dafür ist die Intensivierung der Landwirtschaft, Biozideinsatz, Zunahme der Bodenversiegelung und die mutwillige Zerstörung ihrer Nester! Die Lebensbedingungen in den Überwinterungsgebieten in Afrika verschlechtern sich ebenfalls zunehmend.

Quelle

Erzählung von Rosemarie Pöcksteiner