Die Dorfmühle

Aus Landschaftsgeschichten
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Die einstige Dorfmühle liegt in der Kartastralgemeinde Stiegeramt mit der Hausnummer 27. Gelegen am Loseneggerbach, zur Gemeinde St. Oswald im Bezirk Melk gehörig.

Bereits 1910 bestand hier eine mit Wasserrad betriebene Mühle, wie ein altes Foto aus dieser Zeit beweist. Im Jahre 1926 wurde die Mühle nach dem damaligen Stand der Technik neu errichtet. Eine 4,5PS-Turbine wurde eingebaut. Im Erdgeschoß, dem Hauptteil der Mühle Standen die zwei Mühlsteine, die Quetschwalze, die Schöllmaschine, die große Mehlwalze, die drei Mehlablasssäcke, die fünf Aufzüge, die vom Mühlenkeller bis ins Dachgeschoß reichten, die große Mehlkiste und Platz zum Lagern von Getreide, sowie die Gosse zum Beschicken des ersten Aufzuges. Im Mühlkeller befand sich die große zirka 7m lange Antriebswelle mit nicht weniger als acht verschieden großen Rädern, die den verschiedenen Maschinen zugeteilt waren. Das erste Rad betrieb die Schöllmaschine, das zweite Rad den Schrotstein, das dritte Rad die Quetschwalze, das vierte Rad war das Antriebsrad aus der Turbine, das fünfte Rad betrieb den Mehlstein, das sechste Rad war das Antriebsrad für die Maschinen im Dachgeschoß der Mühle, das siebte Rad brachte die große Mehlwalze zum Laufen. Das achte Rad diente zum Antrieb für die Scheune, wo auch hier die Wasserkraft zum Futter schneiden und zum Holzschneiden eingesetzt wurde.

Im Dachgeschoß der Mühle befand sich die kleine Antriebswelle mit zehn Antriebsrädern, betrieben wurden die fünf Aufzüge, der Schrollenzylinder mit Trieur, der Vorzylinder, der eigentliche Mehlzylinder und die Verteilerschnecke. Weiters befanden sich hier im Dachgeschoß der Mühle die großen Gossen, auch Reserven genannt, die den Mahlmaschinen jeweils zweiteilig zugeordnet waren.

Der Mehl-Mahlvorgang ist folgender Massen abgelaufen. Getreide meist Roggen und Weizen wurde von den Bauern, in den 1950iger Jahren meist mit Ochsen und Pferde Fuhrwerken in den sogenannten Maltersäcken angeliefert und gewogen. Der erste Aufzug brachte das Getreide ganz nach oben, von dort rieselte es in den sechseckigen mit Drahtsieb überzogenen Schrollenzylinder und wurde während des Durchlaufs von Staub Erdkrümelchen und kleinen Steinen befreit, durchlief den Trieur, wo Erbsen und Wickensamen und manch andere Unkrautsamen vom Getreide getrennt wurde. Das so gereinigte Getreide kam in die Gosse der Schöllmaschine, von wo es durch eine kleine Öffnung mit Schauglas langsam in die Schöllmaschine rieselte. Die Schöllmaschine entfernt vom Getreide den Keimling und die Spitze da diese für die Mehlgewinnung nicht vorteilhaft sind. Der zweite Aufzug brachte das Getreide zur Gosse der Quetschmaschine, auch Brecher genannt, denn dieses Walzwerk zerquetschte und brach das Getreide in drei bis fünf kleine Teile, die meist noch leicht zusammenhingen. Der dritte Aufzug, der bereits zur großen Mahlwalze gehörte, brachte das so gebrochene Getreide wieder hinauf ins Dachgeschoß der Mühle, dort entlud er seine Fracht in die Verteilerschnecke, diese brachte das Mahlgut in die richtige Gosse. Zwei Schieber an der Schnecke dienten dazu, durch richtiges Stecken das Mahlgut in die für den nächsten Mahlvorgang richtige Gosse zu befördern. Der eigentliche Mahlvorgang konnte beginnen. Die große Mehlwalze bestand aus der Speiswalze welche das Mahlgut gleichmäßig in die darunter liegenden ungleich großen und in ungleicher Geschwindigkeit laufenden Hauptwalzen einspeiste, diese wiederum mahlten das Mahlgut zu Mehl, das nur mehr ausgesiebt werden musste. Dazu brachte es der Aufzug 4 in das Dachgeschoß, wo er sich in Richtung Vorzylinder entlud. Der sechseckige, 2,5 Meter lange Vorzylinder war mit einem feinen Metallsieb umspannt, der noch gröberes Mehl aussiebte und wieder zu Aufzug 3 brachte. Das feinere Mehl rutschte in den eigentlichen, schräg liegenden, sechseckigen, 3,5 Meter langen Mehlzylinder, der mit feinster Mehlseide umspannt war. Darunter befanden sich im Erdgeschoß die drei Mehlablasssäcke für Vorschussmehl, Brotmehl und Futtermehl. Hat das Mahlgut den Zylinder durchlaufen, kommt es zu Aufzug 3 zurück, um durch die Verteilerschnecke in die für den zweiten Mahlvorgang richtige Gosse zu gelangen. Zwei große Holzschieber verhindern, dass sich Mahlgut 1 und 2 vermischen. Die Mahlvorgänge wurden je nach Wunsch der Kundschaft ein oder zweimal wiederholt. Beim letzten Mahlgang wurde Kleie abgelassen und in Säcke gefüllt. Auch die drei verschiedenen Mehlsorten wurden in einzelne Säcke gefüllt und konnten von der Kundschaft abgeholt werden.

Gerne erinnere ich mich an das brausende Tosen der Turbine, an das Brummen der großen Räder, an das grollende Rumpeln des Mühlsteins, vor dem ich als kleiner Bub immer Angst hatte. An das Rauschen der Schöllmaschine. An das Klimpern der Aufzugbecher, die Beladen mit Körnern oder Mahlgut an den Kontrollfenstern nach oben vorbeihuschten, an das ruhige und gleichmäßige Laufen der großen Mahlwalze, an die vielen Riemen, die die Maschinen ständig am Laufen hielten. Wohl waren einige der Riemen schon altersschwach und nur mit Riemenschrauben repariert. Dieses ständige tick klack, tack, tick, klack, tack, begleitete uns Kinder auch nachts, bis uns der Schlaf übermannte. Nur ganz nebenbei nahmen wir wahr, wenn der Vater auch nachts das Räderwerk und die Mahlwalze kontrollierte.

Auch wir Kinder hatten oft tagsüber die Aufsicht über die Schöllmaschine, Ährenstutzen verlegten oft den kleinen Zulauf zur Schöllmaschine, wir Kinder mussten mit einen kleinen Drahthaken die Übeltäter entfernen, damit die Körner wiederum ungehindert in die Schöllmaschine rieseln konnten, oder wenn die große Walze hohl lief - das heißt, das Mahlgut rutschte nicht mehr alleine nach - mussten wir Kinder mit einem Stecken nach strieten. Dieser Fehler entstand durch feuchtes zu wenig getrocknetes Getreide, bedingt durch schlechte Witterung, das Getreide war teilweise ausgewachsen. Darunter litt auch die Mehlqualität. So mancher Bäuerin ging das Brot beim Backen nicht auf, war speckig und flach. Grund genug, um Mehl im Handel zu kaufen. Auch nagte der Zahn der Zeit an der in die Jahre gekommenen Mühle. Die zwei Mahlsteine standen schon Jahre still. Die Mühle war nur mehr für ein paar Kundschaften und für den Eigenbedarf in Betrieb. Stand oft Wochen und Monate still. Bis sie schließlich in den 1980iger Jahren dem Wohnhausneubau weichen musste. Nur mehr die zwei Mühlsteine im Vorgarten des Hauses Stiegeramt 27 meinem Elternhaus erinnern heute noch blumengeschmückt an die einst Tag und Nacht laufende Dorfmühle.

Botschaft

Geschichte der Dorfmühle

Quellen

Verfasst am 8. Juli 2018 von Ignaz Leonhartsberger (geboren und gewohnt bis zur Verehelichung in seinem Elternhaus Dorfmühle)