Der wilde Graben

Aus Landschaftsgeschichten
Zur Navigation springen Zur Suche springen

G´schichtl

In das Schlierhügelland im Alpenvorland sind tiefe Gräben eingeschnitten. Zwischen Ulmerfeld und Winklarn zieht sich ein solcher Graben von Süden her gegen die Ybbs hin. Um diesen Graben erzählt man sich folgende Sage:

Die Frau des Turmwarts von Ulmerfeld wurde als Hexe angeklagt. Sie soll neugeborene Kinder in „Wechselbälge“ verwandelt haben. Anrainer wollen sie gesehen haben, wie sie auf einem Besen reitend aus den Rauchfängen flog. Angesichts dieser untrüglichen Beweislage wurde sie verurteilt und sollte im Morgengrauen am Scheiterhaufen außerhalb der Ulmerfelder Ringmauer verbrannt werden. Als die „Hexe“ an den Pfahl gebunden war, kamen keuchend von Winklarn Leute gerannt und riefen: „Die Türken kommen“. Alle waren entsetzt, da rief die „Hexe“ vom Scheiterhaufen: Wenn ihr mich frei lasst, dann helfe ich euch und verhexe die Türken. Sofort wurde sie losgebunden, sie rannte in Richtung der Türken davon und verschwand im Wald. Plötzlich hörte man ein fürchterliches Grollen, das über Minuten andauerte. Als es verstummte, war der Wilde Graben entstanden. An dessen Grund floss ein kleines Bächlein und überall lagen die Leichen der Türken verstreut. Das soll das Werk der Hexe gewesen sein. Von ihr jedoch fehlt bis heute jede Spur.

Zielgruppe

Alle

Botschaft

Was ist Schlier und warum sind Gräben im Schlier so wild?

Zusatz-Info

Schlier ist eine im Alpenvorland typisches Gesteinsformation, das im Vergleich zur Böhmischen Masse oder zu den Kalkalpen recht jung ist (ca. 20 Millionen Jahre). Sie besteht aus abwechselnd Tonstein, der leicht verwittert und schmierigen rutschgefährdeten Boden erzeugt, und Sandsteinlagen, die auch steilere Hänge aufbauen können, vor allem an Flussufern.

Dohlen als Hexen verkleidet?

Hexen soll es ja nicht geben. Aber was fliegt dann hierzulande in und aus Rauchfängen, das man mit einer Hexe auf einem Besen verwechseln kann? Im Alpenvorland fallen einem da eigentlich nur Dohlen (krähenähnliche Vögel mit grauem Kopf) ein. Diese schleppen große Mengen Äste und Reisig in einen Rauchfang. Die Äste verkeilen sie darin und errichten so mit dem Reisig ein Nest für die Jungenaufzucht im Frühling.

Quelle

www.sagen.at

Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten, Amstetten 1951, S. 81