Der luckerte Gipfel vom Ötscher

Aus Landschaftsgeschichten
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Ötscher, Luckerter Gipfel, Ansicht von Westen. Rechts dahinter beginnt der Rauhe Kamm. Im Tal unten rechts die Ochsenbodenalm und die Hinteren Tormäuer. Foto: Peter Neuhauser
Ötscher, Luckerter Gipfel mit der Lucke (unten), im Hintergrund oben Herrenstand. Foto: Peter Neuhauser
Ötscher, Luckerter Gipfel mit der Lucke (unten), im Hintergrund oben Mitte Herrenstand, rechts Kreuzkogel. Foto: Peter Neuhauser


G´schichtl

Der Ötscher hat nicht bloß einen Gipfel (und zwar der Große Ötscher ist gemeint - es gibt ja einige kleinere Berge in seiner Nachbarschaft, die sich diesen Namen auch zu eigen gemacht haben).

Der Ötscher also hat insgesamt vier Gipfel. Da ist zunächst einmal der höchste Gipfel im Südwesten, wo das Kreuz steht. Das Gipfelkreuz steht zwar nicht am höchsten Punkt, aber immerhin am höchsten Kogel, drum heißt dieser Gipfel auch Kreuzkogel. Dann ist da der Herrenstand an der Südostecke, nur knapp fünf Meter niedriger als der Kreuzkogel. An der gesamten Nordseite des Gipfelplateaus erstreckt sich der Taubenstein. Er ist der niedrigste der vier Gipfel. Und dann ist da noch am östlichsten der Vorgipfel von dem der Rauhe Kamm abbricht, der Luckerte Gipfel. Ein luckerter Gipfel am Ötscher? - Da war wohl der Teufel im Spiel.

Es war vor langer Zeit, als die Ochsenboden-Alm von einer sehr hübschen Sennerin betreut wurde. Alle Männer aus der Ötschergegend stellten ihr nach, doch sie wollte von den Verehrern nichts wissen. Auch der Teufel hatte es auf sie abgesehen. Dazu verwandelte er sich in einen hübschen jungen Jäger. Er stieg von der Erlauf her, wohl von der Teufelskirche, vorbei am Teufelsriedel über den Teufelssteig hinauf zur Ochsenboden-Alm. Dort angekommen begann er die Sennerin zu umgarnen, aber auf eine Weise, die wohl eher etwas teuflisch gewesen sein musste, denn die Sennerin bemerkte bald, dass mit diesem hübschen Jägersburschen etwas nicht stimmte. Sie floh über die Lacken hinauf zum Rauhen Kamm. Die Sennerin war eine geschickte Kletterin und konnte dem etwas tollpatschig kletternden verwandelten Teufel bald entfliehen. Rasch erreichte sie den Vorgipfel und stieg auf der anderen Seite hinab in die Schneegrube. Als der Teufel den Vorgipfel erreichte, sah er die Sennerin unten auf dem Schneefeld. Schon der Anblick des kalten weißen Schnees missfiel dem Teufel so sehr, dass er vor Zorn so heftig aufstampfte, dass er dabei durch den Gipfel hindurch in die Wagnerritschen fuhr und das ganze Kar hinunterrutschte. Erst im etwas flacheren Teil kam er zu liegen und verzischte. An dieser Stelle wachsen seitdem keine Bäume mehr, es ist die kleine Lichtung beim Wurzböndl. Und seitdem hat der Ötscher einen luckerten Gipfel.

Zielgruppe

Geologen, Ötscher-Bergsteiger.

Botschaft

Der Vorgipfel (Anfangs- bzw. Endpunkt des Rauhen Kammes) hat an seiner Westseite ein im Durchmesser gut drei Meter großes Loch, das fast senkrecht in das Kar der Wagnerritschen hinabführt. Es handelt ich dabei um eine Karsterscheinung, einen nach unten offenen Schlund oder Schlot. Wegen der relativ geringen Tiefe könnte man es auch als Felsenfenster bezeichnen. Die wenigsten Ötscher-Bergsteiger sehen das Gipfel-Loch. Kommt man vom Rauhen Kamm auf den Vorgipfel mit dem Gipfelbuch, geht man beim Weiterweg an der Nordseite des höchsten Punktes vorbei. Um ins Loch zu schauen, muss man aber zum höchsten Punkt aufsteigen.

Zusatz-Info

Die Schneegrube ist ein großes Kar zwischen Vorgipfel, Herrenstand und Taubenstein, das in früheren Jahren oft bis in den Herbst hinein mit Schnee bedeckt war. Nach den schneearmen und milden Wintern der letzten Jahre ist die Schneegrube im Sommer immer öfter schneefrei.

Das Wurzböndl, eine kleine Verflachung im unteren Teil der Wagnerritschen, liegt auf einer Moräne aus der letzten Kaltzeit, der Würm-Kaltzeit.

Flurnamen und Ortsbezeichnungen in denen der Teufel steckt gibt es in der Ötscher-Gegend mehrfach: Teufelskirche, Teufelsriedel, Teufelssteig, Teufelskamp, Teufelssee.

Quelle

Verfasst von Peter Neuhauser

Österreichische Karte 1:50 000, Blatt NL 33-02-04. BEV, Wien

Geologische Karte der Republik Österreich, Blatt 72. Geologische Bundesanstalt, Wien