Das Einhorn am Obersee
Inhaltsverzeichnis
G´schichtl
Alte Mütterchen aus der Lunzer Gegend wissen, dass vor langer Zeit am Obersee ein Einhorn gelebt haben soll! Ab und zu trat es aus dem kühlen Schatten des Waldes hervor, graste friedlich am Seeufer oder badete im dunkelgrünen Wasser. Um die Mittagsstunde erklang täglich von einer Felsspalte des nahen Dürrensteins her ein heller Ruf. Das Einhorn folgte dem Rufen. Bei dem Höhleneingang wartete eine wunderschöne Frau. Sie nahm einen Korb mit goldenen Äpfeln, schwang sich auf das Einhorn und ritt bis zur Frauenhöhle bei Lackenhof. Dort angekommen, erschienen sieben liebliche Elfen und empfingen die Äpfel, die ihnen ewige Jugend und Schönheit verliehen.
Eines Tages verirrte sich der Sohn eines vornehmen Edelmannes bei der Jagd am Obersee und entdeckte zufällig das Einhorn. Fasziniert von dem wunderbaren Wesen, wollte er es lebendig mit nach Hause nehmen. Er beschloss es zu beobachten und den richtigen Moment abzuwarten. Als das Einhorn wieder einmal mit seiner wunderschönen Reiterin dahertrabte, nahm er die Verfolgung auf. Der Abstand zwischen Reiter und Einhorn schmolz, aber als sie das Ufer des Obersees erreichten, rief die Elfin fremde Worte über das Wasser. Wie von Geisterhand löste sich die kleine Insel aus der Mitte des Sees und trieb dem Ufer zu. Mit einem Satz war das Einhorn auf der rettenden Insel und trieb wieder in Richtung Mitte. Der junge Edelmann aber, schaffte es nicht sein Pferd ins Wasser zu treiben. Wütend darüber, dass er weder Einhorn noch Elfin erreichen konnte, schoss er mit seiner Armbrust auf die beiden. Das Einhorn sank tödlich getroffen zu Boden und die Elfin stimmte ein trauriges Klagelied an. In der Nacht kamen aus den unterirdischen Tiefen des Dürrensteins Bergmännlein mit Spaten und Laternen und bereiteten dem Einhorn ein Grab auf der schwimmenden Insel.
Seitdem hat niemand mehr Elfen oder Bergmännlein in dieser Gegend gesehen. Die Insel aber, bewegt sich besonders bei heftigen Winden ruhelos über das Wasser des Obersees.
Zielgruppe
alle
Botschaft
Karstphänomene im Ötscher- Dürrenstein-Gebiet und der "Zauber" der Insel im Obersee.
Zusatz-Info
Der Lunzer See bekommt seinen Zufluss durch den Seebach, der am Nordostabhang des Dürrenstein entspringt. Verfolgt man den Seebach-Verlauf aufwärts zu seinem Quellgebiet, gelangt man zum Obersee.
Quelle
Iolanthe Hasslwander: Märchen und Sagen aus dem Ötscherland. Steyr: Ennsthaler, 1982.
Verfasst von Marlene Palka