Als die alte Fanny die Himmelstreppe im Dunkeln stehen ließ

Aus Landschaftsgeschichten
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Die Himmelstreppe in Wienerbruck, Herbst 2017. Foto: Christina Nagl
Die Dampflok Mh.6 ”Fanny“ zieht einen Sonderzug über die Bergrampe hinauf Richtung Gösingtunnel. Foto: Peter Neuhauser

G´schichtl

Die alte Fanny ist Jahrgang 1908, und trotzdem ist sie noch sehr rüstig. Sie ist die jüngste von sechs Geschwistern und bringt jedes Jahr noch hunderte Eisenbahnfans nach Mariazell und wohl noch mehr ins Schwärmen. Beheimatet ist sie in Ober-Grafendorf. Ihre Schwestern sind im Waldviertel und im Pinzgau unterwegs. Die Fanny und ihre Schwestern, das sind die alten Dampflokomotiven, die vor der Elektrifizierung den Verkehr auf der Mariazellerbahn führten, heutzutage sind sie für Nostalgiezüge im Einsatz.

Fanny ist der nur unter Eisenbahn-Insidern bekannte Name für die Dampflok Mh.6 (M steht für Mariazell, h für Heißdampf), und sie ist die sechste Maschine ihrer Art. Jedes Jahr im Sommer ist sie planmäßig einmal im Monat unterwegs nach Mariazell. So auch am 24. August 2014, es war ein schöner Sommertag mit ruhigem Hochdruckwetter. Es war der Sommer, in dem erstmals die neuen modernen Triebwagen der Mariazellerbahn, genannt Himmelstreppe, im Einsatz waren. Die Mh.6 (Fanny) zog ihren Zug mit Volldampf von Laubenbachmühle über die steile Rampe den Berg hinauf zum Gösingtunnel und verschwand mit viel Rauch im Tunnelloch. Kurz danach folgte ein planmäßiger Zug mit einer Himmelstreppe, auch hinein in den Gösingtunnel. Da der Tunnel eine über zwei Kilometer lange Gerade hat, darf die Himmelstreppe mit voller Geschwindigkeit fahren, das ist mehr als doppelt so schnell als der Dampfzug mit der Fanny. Dieser war inzwischen längst an der steilen Gösinger Berglehne bei herrlichen Ötscherblicken hinunter nach Wienerbruck gefahren.

Als die Himmelstreppe, mit voller Geschwindigkeit, schon mitten im Tunnel war, gab es eine aprupte Bremsung und der Zug stand still. Nicht der Lokführer hatte gebremst, es war auch kein Stromausfall, keiner wusste warum der Zug plötzlich zum Stillstand kam. Für die Fahrgäste war es vorerst nur ein wenig abenteuerliche Aufregung, aber das Zugpersonal stand vor einem Rätsel. Es gab zwar Licht im Zug und die Scheinwerfer konnten den Tunnel ausleuchten, es gab aber keine Sicht. Der Zug stand in einer dichten Nebelwolke mitten im Tunnel. Das Rätsel der Notbremsung sollte sich bald lösen. Die modernen Triebwagen sind mit Rauchmeldern ausgestattet, die von Seiten des Herstellers so eingestellt waren, dass bei Rauchentwicklung eine Notbremsung erfolgt. Nun hatte die Mh.6 bei ihrer Bergfahrt eine Menge Rauch im Tunnel gelassen, der bei der herrschenden Hochdruckwetterlage sich im Tunnel festsetzte.

Es dauerte einige Zeit, bis der Zug wieder flottgemacht werden konnte und seine Fahrt nach Mariazell fortsetzte. Schließlich hat man die Rauchmelder bei allen Himmelstreppe-Triebwagen so eingestellt, dass im Tunnel keine Notbremsung mehr möglich ist.

Zielgruppe

Eisenbahnfreunde

Botschaft

Der Gösingtunnel ist ein Scheiteltunnel, das heißt, der höchste Punkt der Strecke liegt im Tunnel. Beim Gösingtunnel knapp nach der Mitte des Tunnels.

Was der Fahrgast bei der Fahrt durch den Tunnel nicht mitbekommt, sind die Wetterverhältnisse und Temperaturunterschiede im Tunnel. Im Sommer ist es kalt, im Winter warm gegenüber der Außenluft. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit kommt es oft zu starker Nebelbildung. Bei gleichmäßigem stabilen Luftdruck auf beiden Tunnelseiten steht die Luft im Tunnel und der Nebel sammelt sich an der höchsten Stelle. Sind die Luftdruckverhältnisse auf beiden Seiten des Tunnels unterschiedlich weht ein leichter Wind durch den Tunnel, der den Nebel ausblasen kann.

Die durch die Dampflok verursachte Luftverschmutzung ergibt eine Mischung aus Nebel, Rauch- und Rußpartikeln und führt zu einer überdurchschnittlichen Nebeldichte. Im Tunnel kann Smog entstehen.

Zusatz-Info

Der Gösingtunnel ist nicht nur der Scheiteltunnel und längste Tunnel der Mariazellerbahn, er ist mit einer Länge von exakt 2.369,46 Metern der fünftlängste Eisenbahntunnel einer Gebirgsbahn auf dem heutigen österreichischen Staatsgebiet. Bei seiner Fertigstellung im Jahr 1906 war er der siebentlängste Tunnel in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Scheitelhöhe, also der höchste Punkt liegt bei 892 m Seehöhe. Der Tunnel ist fast durchwegs eine Gerade, nur die letzten Meter vor der Ausfahrt auf der Südseite befindet sich ein kurzer Linksbogen. Er durchfährt die Wasserscheide zwischen Pielachtal und Erlauftal.

Quelle

Verfasst von Peter Neuhauser